2. Zeitzeugenbericht
Bilder erzählen eine Geschichte...
... in unserem 2. Zeitzeugenbericht erzählt Otto-Heinz Kummer (Jahrgang 1927) über die frühen Jahre unserer Genossenschaft und blickt auf eine 54-jährige Mitgliedschaft zurück."Als damaliger Universitätsangehöriger trat ich im Mai 1959 in die Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft der Martin-Luther-Universität mit der Mitglieds-Nummer 283 ein. Nach Erfüllung aller Leistungen (2.400 Mark Genossenschaftsanteil für eine 2 1/2 Zimmer-Wohnung und 450 Arbeitsstunden) erhielt ich nach drei Jahren Mitgliedschaft 1962 die Zuweisung für eine Wohnung im Block 34b (planungstechnische Bezeichnung) in der Südstadt - postalisch Paul-Suhr-Straße 70, 3. Etage rechts.
Im September 1962 zog ich mit meiner Frau und meinem 3-jährigen Sohn in unser neues Zuhause ein. Auch wenn das Umfeld noch nicht gestaltet war (unbefestigte Fußwege, Trockenplätze usw.) konnten wir den Komfort genießen: ein Bad mit Innentoilette und Wanne, große, helle Fenster und den Tag mit Frühstück und Kaffee auf dem Balkon zu beginnen. Dazu noch der weite Ausblick über Gärten, Wiesen, Felder und den Ort Beesen bis zum Buna-Werk."
"Auf der Balkonseite unseres Hauses führte ein verbreiterter Feldweg vorbei, die spätere Murmansker Straße die, als wir einzogen noch nicht ausgebaut war. Beim Verlassen des Hauses war festes Schuhwerk angesagt. Wir wohnten damals am Stadtrand, nach Süden und Richtung Westen über den "Eierweg" hinaus bis Wörmlitz/Böllberg war nur unbebautes Land: Schrebergärten, Baumschulen und Ländereien von Agrarbetrieben. Anfangs gab es auch keine Verkehrsanbindungen - die nächste Haltestelle war erst Ecke Vogelweide/Elsa-Brändström-Straße - das bedeutete über 1 km Fußmarsch.
Monate später und Schritt für Schritt verbesserte sich die Lage. Die Paul-Suhr-Straße wurde weiter nach Süden, die Murmansker Straße bis zur Elsa-Brändström-Straße ausgebaut. Eine Buslinie konnte eingerichtet werden, dann folgte nach Gleisbauarbeiten die Verlängerung der Straßenbahnlinie zunächst bis zur Moskauer Straße.
Auch in der Murmansker Straße ging die Bautätigkeit weiter: es wurden eine Schule, ein Pflegeheim, eine Behindertenschule und, was wir als Anwohner als eine große Planungsdummheit ansahen, ein Heizwerk (das mit Rohbraunkohle betrieben wurde) errichtet. Die Beschickung erfolgte mit LKW's, die das Heizmaterial abkippten und eine riesengroße, rotbraune Staubwolke hinterließen (u.a. nicht geringe Mengen auf unserem Balkon und den Fensterbrettern!).
Es war für uns Anwohner besonders ärgerlich, eine Dreckschleuder von Heizwerk in gut 150 m Entfernung zu haben. Unsere Wohnung und auch das gesamte Neubaugebiet Südstadt I, waren alle mit Ofenheizung ausgestattet!
In den Jahren 65 - 67 wurden einige hallesche AWGs zusammengelegt. So kam die AWG der MLU zur AWG "Frohe Zukunft". Meine neue Mitglieds-Nummer lautete nun 283 U! Für uns Mieter brachte die Umstellung, außer einem neuen Mietvertrag, keine Veränderungen.
in unserer Hausgemeinschaft wohnten bei Erstbezug 8 Familien - genauer gesagt 8 Ehepaare mit 15 Kindern. Es waren alles junge Leute, die ältesten 35 - 45 Jahre, die meisten sogar unter 30! Es entwickelte sich in den Folgejahren eine freundliche, hilfsbereite Atmosphäre die über Jahrzehnte Bestand haben sollte.
Hier sei angemerkt, dass ich von 1962 bis 2011, also 49 Jahre, in dieser Gemeinschaft gewohnt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt wechselten nur 3 Mietparteien - immerhin wohnten also 5 von 8 Mieter seit dem Erstbezug immer noch dort! Das ist schon eine Anerkennung wert: es spricht sowohl für die Leistungen der WG als auch für die Mieter selbst!"
Erzählen Sie uns Ihre Geschichte.
Unterstützen Sie uns mit Material und Geschichten aller Art. Willkommen sind uns alle Beiträge, auch aus der jüngsten Vergangenheit.
Erzählen Sie uns Ihre Erlebnisse und Erfahrungen. Egal ob Sie unserer Genossenschaft schon seit fast 60 Jahren oder erst seit ein paar Wochen die Treue halten. Gemeinsam mit einer Journalistin und tv:halle führen wir mit Ihnen ein Interview durch, welches Bestandteil der Chronik wird.
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